Heidelberger Theater trumpft mit ibero-amerikanischem Festival auf
"Vorwärts!" heißt das neue Motto, genauer gesagt: "¡Adelante!" - Der Vorverkauf beginnt am heutigen Samstag

Einer der Höhepunkte des Festivals "¡Adelante!": Gretel Montes de Oca in dem kubanischen Gastspiel "Yilliam de Bala Coming Soon". Foto: Festival
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Es geht voran. Das Heidelberger Theater positioniert sich mehr und mehr international. Nicht nur beim Stückemarkt mit seinen Gastländern oder der Spielplan-Konzeption, sondern auch bei der Festival-Planung: "Vorwärts!" heißt deshalb das neue Motto, genauer gesagt: "¡Adelante!", denn so lautet die spanische Übersetzung von "Vorwärts!" Bei diesem Titel handelt es sich um keine ibero-amerikanische Ausgabe des traditionsreichen SPD-Parteiblatts, sondern um ein ibero-amerikanisches Theaterfestival, zu dem im Februar 2017 zwölf Inszenierungen aus zehn süd- und mittelamerikanischen Ländern sowie aus Spanien in Heidelberg erwartet werden. Ein bisschen hat die SPD aber doch ihre Finger im Spiel, da Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft von "¡Adelante!" übernehmen wird.
Vom 11. bis zum 18. Februar 2017 wollen Künstler aus Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Peru, Uruguay und aus Spanien unsere Sehgewohnheiten aufbrechen, uns mit politisch brisanten oder sinnlich-komischen Vorstellungen überraschen. Ausgewählt wurden die Produktionen vom Kuratoren-Gespann Ilona Goyeneche und Jürgen Berger zusammen mit der Heidelberger Theater-Leitung.
Das Themenspektrum ist so riesig wie der Subkontinet und so konträr wie die Temperaturunterschiede zwischen dem frostigen Andenhochland und dem tropischen Amazonasbecken. In der Kulturszene der süd- und mittelamerikanischen Länder spiegelt sich nach wie vor die Auseinandersetzung mit postkolonialen Strukturen. Viele Länder werden von ethnischen Konflikten zwischen den indigenen Völkern und der immer noch meist weißen Wirtschaftselite zerrissen. Im Vielvölkerstaat Peru werden zig Sprachen gesprochen, darunter auch Quechua von den Nachfahren der Inka. In den fragilen jungen Demokratien kämpft man im Alltagsleben gegen die Nachwirkungen von Bürgerkriegen, gegen Korruption oder die Einflüsse von Drogenkartellen an. Und in einer Diktatur wie in Kuba laufen gerade die ersten Versuche einer Öffnung. All das wirkt sich auf die Theaterarbeit aus. Hier ein Überblick über einige Highlights:
> Eröffnet wird "¡Adelante!" am 11. Februar 2017 mit Felipe Hirschs brasilianischer Inszenierung "Eine lateinamerikanische Tragödie". Lene Grösch, die künstlerische Leiterin des Festivals, verspricht "einen tollen, abwechslungsreichen, turbulenten Abend" im Marguerre-Saal. "Vier Stunden Theater total."
> Als Koproduktion mit Künstlern aus Santiago de Chile erarbeitet das Colectivo Zoológico zusammen mit Heidelberger Schauspielern die Produktion "Nimby". Dabei geht es um den Ärger von behäbig gewordenen Alt-Hippies über ein soziales Wohnungsbauprojekt in direkter Nachbarschaft. Man sieht: Die Kretschmannisierung einstmals alternativer Lebensentwürfe findet auch in Südamerika statt.
> Sozialen Sprengstoff enthält das kubanische Gastspiel "Backstreet Boys". Vor Fidel Castro galt der Inselstaat als Bordell der USA. Aber auch nach Castros Revolution existierte die Prostitution in der Illegalität weiter - aus purer Not der Bevölkerung. Männliche und weibliche Prostituierte boten ihre Dienste in unmittelbarer Nähe der Touristenhotels an. "Backstreet Boys" handelt vom Stricher-Milieu im heutigen Havanna. Schwule Sextouristen aus Europa nützen die Notlage aus.
> Die Förderer: Das Konzept von "¡Adelante!" findet die Bundeskulturstiftung so überzeugend, dass sie das Festival mit 250.000 Euro unterstützt. Als weitere Sponsoren sitzen die regionalen Volksbanken, die hiesige Sparkasse, der Freundeskreis des Theaters und der Kulturförderer Wolfgang Marguerre mit im mäzenatischen Überseedampfer. (Von einem Boot kann man ja kaum reden bei einem so ambitionierten Vorhaben.) Beteiligt sind außerdem noch das Land Baden-Württemberg und die Stadt Heidelberg. Insgesamt läge das Gesamtbudget des Festivals bei 600.000 Euro, sagte Intendant Holger Schultze: "Eine ganz schön große Hausnummer, wenn Sie bedenken, dass für den Stückemarkt oder für die Tanzbiennale jeweils 150.000 Euro veranschlagt werden."
Fi Info: Der Karten-Vorverkauf für "¡Adelante!" beginnt heute. Dafür präsentiert sich die Theaterkasse auch im südamerikanischen Ambiente. Das komplette Programm findet man unter der Internet-Adresse www.adelante-festival.de



