Stift Neuburg

"Erschütternd", wie es im Klosterhof aussieht

Leiter des neuen Wirtschaftsbetriebs führte Besucher über das Gelände - Viele waren über die Zustände erschrocken

30.07.2018 UPDATE: 31.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Kanister und Müll türmen sich im Wirtschaftsgebäude neben der Klosterhof-Brauerei. Fotos: Hoene

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Der äußerliche Eindruck, den das Stift Neuburg macht, ist ziemlich desolat: Nun konnten sich am Freitagabend die Ziegelhäuser ein eigenes Bild von den Zuständen im Kloster machen. Nach mehr als einer Stunde Begehung resümierte zum Beispiel Wilfried Merkel: "Das macht einen üblen Eindruck." Gabriele Kraus fand das, was sie sah, "erschütternd". Für Marion Huthmann wiederum ist das nicht so dramatisch: "Es sieht nicht schlimmer aus als zu der Zeit, als die ehemaligen Pächter das übernommen haben. Bauernhöfe sind niemals ganz geschleckt."

Zumindest hält Mathias Braun, der Leiter des Wirtschaftsbetriebs, den Zustand für problematisch. Erst vor knapp drei Monaten erhielten die Mönche wieder die Landwirtschaft von den einstigen Pächtern zurück, vor sechs Wochen folgte das Lokal. Im Moment läuft beides auf Sparflamme, für Braun geht es eher um einen kompletten Neustart. Immerhin gibt es auf dem Hof mittlerweile acht Waldschafe und 30 Bienenvölker: "Wir wollen uns auf aussterbende Haustierrassen konzentrieren", sagt Braun.

Hintergrund

Momentan hat fast alles im Klosterhof geschlossen: Es gibt kein Restaurant, keinen Hofladen, die Ställe sind leer, nur die rechtlich eigenständige Brauerei hat

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Momentan hat fast alles im Klosterhof geschlossen: Es gibt kein Restaurant, keinen Hofladen, die Ställe sind leer, nur die rechtlich eigenständige Brauerei hat ganz regulär geöffnet. Das sind die Folgen des langen, erbitterten Rechtsstreits der ehemaligen Pächter der Landwirtschaft sowie der Gastronomie einerseits und den Mönchen andererseits. Am Ende gewannen bekanntlich die Klosterbrüder.

Die Auseinandersetzung ist noch nicht ausgestanden, die alten Pächter fordern über 600.000 Euro als Ausgleich für ihre Investitionen in den letzten zehn Jahren - von denen man allerdings nur noch wenig sieht. Fast nichts macht einen halbwegs intakten oder gepflegten Eindruck, angefangen mit den völlig verwilderten Streuobstwiesen samt ihren 450 Bäumen über die verwahrlosten Gebäude bis hin zu den weitgehend verschlammten Forellenteichen. Im Moment ist das Hauptproblem der allgegenwärtige Müll: Berge von Kanistern liegen im Stall, Malzsäcke türmen sich im Wirtschaftsgebäude, doch am Übelsten sieht es im ehemaligen Kinderheim aus, das eigentlich nur noch abgerissen werden kann. Der Leiter des neuen klösterlichen Wirtschaftsbetriebs, Mathias Braun, berichtet, dass ein erster Kostenvoranschlag zum Beseitigen des Mülls auf dem gesamten Gelände bei stolzen 30.000 Euro liegt.

Das hätte nicht so weit kommen dürfen, denn so Braun: "Laut Pachtvertrag hätte man alles instand halten müssen. Stattdessen ließ man hier alles über Jahre verkommen." Er macht noch eine ganz andere Rechnung auf: "Das Kloster hat alles verpachtet für 38.000 Euro im Jahr. Die Pächter vermieteten allein die Gastronomie dann für 20.000 Euro - im Monat."

Man kann es auch anders deuten: Wenn es bisher immer vor Gericht hieß, die Mönche hätten den Vertrag mit den einstigen Pächtern wegen eines Formfehlers gekündigt, dann war das eher eine juristische und keine inhaltliche Begründung. Denn im Grunde werfen die Mönche den bisherigen Pächtern vor, mit der Landwirtschaft und der Gastronomie nur Geld gemacht zu haben, ohne sich um den Erhalt des Anwesens zu kümmern - wozu sie aber, so die Meinung der Besitzer, vertraglich verpflichtet gewesen wären. (hö)

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Dann will das Kloster an der Zucht verdienen - was aber auch heißt, dass es den bei Kindern so beliebten Streichelzoo nicht mehr geben wird: "Zuchttiere kann man nicht streicheln", sagt Braun. Rinder wie früher wird es auch nicht mehr geben. Und alle Tiere sollen auf der Weide bleiben - was wiederum heißt: Der große denkmalgeschützte Stall wird nicht mehr gebraucht. Was aus ihm wird, steht in den Sternen, ein Umbau in eine Art Veranstaltungshaus würde in die Millionen gehen. Die Schwalben, die sich im Rindermist bisher so wohl fühlten, sollen bald umgesiedelt werden.

Langfristig träumt Braun von "hundert Schafen, ein paar Ziegen, Eseln und Hühnern", deren Produkte man dann im Hofladen kaufen kann. Der soll erst dann wiedereröffnet werden, wenn es wirklich etwas zu verkaufen gibt - und das kann dauern. Am schnellsten könnte der Neuanfang bei den Forellen gelingen. Zwei der drei Teiche wurden mittlerweile gesäubert, der dritte soll bald folgen. Noch in dieser Woche könnten die Fische eingesetzt werden, dann könnte es bald wieder Klosterhofforellen geben - vielleicht sogar in der Gastronomie. So schnell wird das Lokal nicht öffnen - erst im nächsten Jahr.

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Solange verköstigt ein Imbisswagen die Wanderer. Chafai Mchluch hat bereits in der alten Wirtschaft gekocht, und nun wird er freitags, samstags und sonntags Kuchen und Deftiges anbieten. Er muss dabei strenge Auflagen erfüllen: "Alles Bio und keine Fertigprodukte." Das soll auch für den Rest der Landwirtschaft gelten: Alles wird nach dem Siegel "Bioland" zertifiziert.

Besonders traurig sieht es momentan aber noch im Efeu-Gewächshaus, dem einstigen Stolz des Klosters, aus. Bruder Ingobert, der fast 30 Jahre lang die Klostergärtnerei geleitet hatte und vor 25 Jahren starb, hatte das Stift Neuburg zum Kompetenzzentrum für diese Pflanzen gemacht - und nun ist davon kaum mehr etwas übrig. Die einst 560 sorgsam gehegten Efeusorten sind völlig dezimiert, niemand weiß, was von dem noch Vorhandenen überhaupt für einen Neustart taugt. Braun und sein Chef Pater Ambrosius wissen nur: Es soll irgendwann wieder Efeu am Stift geben.

Das schaffen allerdings Braun und seine Kollegin Claudia Rhein mit ihren beiden Angestellten nicht alleine. So greifen sie auf die Mithilfe von Freiwilligen zurück - beispielsweise am Aktionstag "Wir schaffen was" am 15. September, für den man sich mit fünf Projekten angemeldet hat.

Immerhin: Der beliebte Adventsmarkt soll noch in diesem Jahr als "anspruchsvoller Kunsthandwerkermarkt" seine Wiederauflage feiern - wenn auch auf der Terrasse zum Neckar hin, an den alten Gewächshäusern. Dort könnte auch später mal das neue Restaurant hingebaut werden, denn hier hat man einen besonders schönen Blick - aber das alles ist noch Zukunftsmusik. Denn wichtig ist Braun und Pater Ambrosius, dass der Wirtschaftsbetrieb möglichst schnell Fahrt aufnimmt. Denn er soll schließlich für das Kloster Geld abwerfen: "Wir haben einen Sanierungsstau", sagt Ambrosius, gerade bei den Gästezimmern.

Das weiß auch Braun: "Im Vordergrund steht immer das Kloster." Vom neuen Schwung in den alten Mauern war auch der Ziegelhäuser Hartmut Tilmann angetan: "Man ließ viel schleifen hier in den letzten Jahren. Aber ich bin definitiv guter Dinge, dass alles wieder auf die Beine kommt."

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