1899 Hoffenheim

Julian macht Nägel mit Köpfen

Leipzig zahlt fünf Millionen für Nagelsmann - Aber seit wann baggerte RB an Nagelsmann

21.06.2018 UPDATE: 22.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden

Vor seiner Abschiedstour bei "Hoffe": Julian Nagelsmann geht im Sommer 2019. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Heidelberg/Zuzenhausen. Nun also doch nicht FC Bayern München, Borussia Dortmund oder gar Real Madrid: Cheftrainer Julian Nagelsmann (30) wird den hiesigen Bundesligisten und Champions-League-Debütanten TSG 1899 Hoffenheim zum Ende der Saison 2018/19 definitiv verlassen.

Nagelsmann hatte die Hoffenheimer Chefetage um Mehrheitsgesellschafter Dietmar Hopp (78) offenbar schon am Mittwochabend umfassend informiert und dem Kraichgauklub keine Handlungsspielräume gelassen. Nagelsmann zieht seine Ausstiegsklausel für 2019, die ihm trotz eines bis zum 30. Juni 2021 gültigen Vertrages den Abschied vom Dorfklub ermöglicht.

Soweit ist diese Personalie den Gesetzmäßigkeiten der Branche geschuldet. "Die vertraglich fixierte Möglichkeit, uns im Sommer 2019 zu verlassen, war ja mittlerweile bekannt", ließ TSG-Manager Alexander Rosen am späten Donnerstagnachmittag verlautbaren, "es spricht für Julian und seinen Charakter, dass er die Karten nun auch öffentlich auf den Tisch gelegt hat und somit frühzeitig für alle Klarheit schafft. Natürlich bedauern wir die Entscheidung, aber wir freuen uns sehr auf die anstehenden Aufgaben, auf diese besondere Saison, auf die Champions League, und haben jetzt durch diese frühzeitige Entscheidung auch lange genug Zeit, um uns für die Zukunft aufzustellen."

Angela Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert (58), der ehemalige ZDF-Fernsehjournalist, hätte es kaum besser ausdrücken können.

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Hintergrund

Julian Nagelsmann

Geb. am 23. Juli 1987 in Landsberg/Lech; Größe/Gewicht: 1,89 m/84 kg; Abgeschlossenes Fernstudium als Sportwissenschaftler

Stationen als Spieler: FC Issing, FC Augsburg, TSV 1860 München (Jugend), TSV 1860 München II (2006 bis

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Julian Nagelsmann

Geb. am 23. Juli 1987 in Landsberg/Lech; Größe/Gewicht: 1,89 m/84 kg; Abgeschlossenes Fernstudium als Sportwissenschaftler

Stationen als Spieler: FC Issing, FC Augsburg, TSV 1860 München (Jugend), TSV 1860 München II (2006 bis 2007), FC Augsburg II (2007 bis 2008)

Stationen als Trainer: FC Augsburg Jugend (2008), TSV 1860 München Jugend (2008 - 2010), 1899 Hoffenheim U 17 (Co-Trainer 2010-2011), 1899 U 17 (2011/2012), 1899 (Co-Trainer Profis unter Frank Kramer, Marco Kurz und Markus Gisdol/2012/2013), 1899 U 19 (2013-2016), seit 11. Februar 2016: 1899 Chefcoach Bundesliga

Bundesliga-Trainer der TSG

7/2006 - 1/2011 Ralf Rangnick; 1/2011 - 6/2011 Marco Pezzaiuoli; 7/2011 - 2/2012 Holger Stanislawski; 2/2012 - 12/2012 Markus Babbel; 12/2012 - 4/2013 Marco Kurz; 4/2013 - 10/2015 Markus Gisdol; 10/2015 - 2/2016 Huub Stevens; 2/2016 - 6/2019 Julian Nagelsmann; 7/2019 - ? jog

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Besondere Brisanz freilich erhält der terminierte Weggang dadurch, dass wenige Minuten nach der TSG-Pressemitteilung um 17.15 Uhr bekannt wurde, dass es Deutschlands vermutlich größtes Trainertalent ausgerechnet zum Ligarivalen RasenBallsport Leipzig zieht.

Der Verein des großen Herrschers Dietrich Mateschitz (74) und des "kleinen Herrschers" Ralf Rangnick (59) bestätigte den Transfer-Hammer leicht zeitverzögert, ist bereit, die fällige Ablösesumme in Höhe von fünf Millionen Euro auf den Tisch zu blättern und stattet Nagelsmann mit einem Kontrakt bis zum 30. Juni 2023 aus.

Hoffenheim und Rangnick - eine unendliche Geschichte. Zwischen 2006 und dem Jahresbeginn 2011 schrieb der Fußball-Professor aus Backnang ein Erfolgskapitel nach dem anderen mit der TSG. Rangnick gelang der Durchmarsch ins Oberhaus, sogar sensationell die Herbstmeisterschaft 2008, doch es kam in zunehmendem Maße zu Meinungsdifferenzen, Irritationen und Verstimmungen mit Hopp, so dass Rangnick nach der kurzfristigen Vertragsauflösung von Luiz Gustavo (zum FC Bayern) die Brocken vor lauter Ärger und Verdruss hinwarf.

RB meldete gestern ferner: "Vom ersten Tag der Gespräche mit Sportdirektor Ralf Rangnick und Geschäftsführer Oliver Mintzlaff an galt Nagelsmann als die Wunschlösung für die übernächste Saison." Dies mag sein, doch die Frage sei gestattet: Wann war dieser erste Tag?

Denn als die Hoffenheimer am 21. April RasenBallsport in deren Arena mit 5:2 "durchschüttelten", ging Rangnick auffallend auf Distanz zu seinem damaligen Trainer Ralph Hasenhüttl, und dieser wiederum erweckte den Eindruck, als ob seine Tage im Stall der "Bullen" ohnehin gezählt seien. Rangnick jedenfalls legte die Vertragsgespräche mit Hasenhüttl auf Eis, verkündete sodann, man werde "sie unmittelbar nach dem Saisonende aufnehmen".

Die Hinhaltetaktik nahm der Grazer seinerseits zum Anlass, nach dem Saisonende Mitte Mai das Weite zu suchen. Der authentische Trainer musste die Gangart der Leipziger Bosse als Misstrauensvotum und Affront werten. Ergo: Ein logischer Abschied, der Spekulationen nährt, ob die Sachsen zum damaligen Zeitpunkt bereits die Angel Richtung Nagelsmann ausgeworfen hatten?!

Gut möglich, dass der eigenwillige Rangnick 2018/19 mal wieder als Platzhalter für einen künftigen Trainer fungieren wird. Auf jeden Fall braucht Rangnick die Deutungshoheit in einem Klub - wie die Luft zum Atmen ...

Nagelsmann selbst wird von der TSG-Medienabteilung wie folgt zitiert: "Ich bin es der TSG und all ihren Mitarbeitern ebenso schuldig wie der Mannschaft und den Fans, diese historische Spielzeit, in der wir zum ersten Mal in der Champions League antreten, nicht mit ständigen Mutmaßungen um meine Person und Zukunft zu belasten.

Nun wissen alle, woran sie sind, und wir können uns professionell auf die anstehenden, schweren Aufgaben konzentrieren." Und weiter versichert er: "Jeder weiß, dass ich bis zur letzten Stunde meines Engagements für die TSG brenne und alles dafür tun werde, unsere ehrgeizigen Ziele zu erreichen." Vorsorglich ergänzt der Sympathieträger, er werde keine Fragen zu seinem neuen Arbeitgeber oder künftigen Plänen beantworten.

Im Internet und in den sozialen Medien hält sich das Verständnis für Nagelsmanns Entscheidung derweil in Grenzen. In Leipzig gebe es "wesentlich mehr externe und interne Einflüsse", behauptet ein Nutzer, siehe Mateschitz, siehe Rangnick. Ein anderer wähnt es höhnisch als einen "Wechsel von einem seelenlosen Verein zum anderen".

Sei’s drum: Nagelsmann macht Nägel mit Köpfen und wagt aus dem TSG-Biotop heraus den nächsten Karriereschritt. Diesen Weg gilt es zu respektieren. Andererseits ist es fortan ein schmaler Grat, auf dem der ambitionierte Fußballlehrer wandelt. Je nach sportlicher Dramaturgie könnte "Jule" zur "lame duck" werden. Verdient hätte er eine Abschiedstour der Leiden ganz gewiss nicht ...

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