Kernkraftwerk Obrigheim

Ein Kraftwerk baut ab oder die neue Leere

Zehn Jahre nach dem Abbaubeginn zeigt sich das Kernkraftwerk Obrigheim zunehmend ausgeräumt - Sichtweisen angenähert?

19.04.2018 UPDATE: 20.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts (mehr): Auch das Nasslager, in dem über Jahre die Brennstäbe am KWO aufbewahrt wurden, ist im Zuge des Rückbaus geräumt worden. Foto: schat

Von Heiko Schattauer

Obrigheim/Mosbach/Buchen. Wenn 275.000 Tonnen Kernkraftwerk zurückgebaut werden, dann geht das nicht völlig rückstandsfrei. Und auch wenn es - wie die EnBW als Betreiber des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) nicht müde wird, zu betonen - nur ein sehr kleiner Anteil ist, der nicht in den konventionellen Stoffkreislauf zurückfließt: Das mehr oder weniger strahlungsbelastete "Erbgut" des KWO beschäftigt die Menschen in der Region. Am Mittwoch war nun Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) zu Gast in Obrigheim, mit der finalen Abbaugenehmigung im Gepäck und um sich selbst ein Bild vom praktizierten Ausstieg aus der Kernkraft zu machen.

Hinter den dicken Mauern der Anlagengebäude hat sich in den rund zehn Jahren seit Erteilung der ersten Abbaugenehmigung viel verändert. Auch wenn davon äußerlich nahezu nichts zu sehen ist. Für den Rückbau des KWO und den Plan von der grünen Wiese hat sich erst jüngst Bedeutendes getan: Alle 342 abgebrannten und hochgradig radioaktiven Brennelemente aus Betriebszeiten (bis Mai 2005 war das Kraftwerk am Netz) sind aus der Anlage verschwunden. Fünf, von mehr oder weniger heftigen Protesten begleitete Castortransporte über den Neckar waren dafür nötig. Im Zwischenlager in Neckarwestheim werden sie für die nächsten 40 Jahre oder eben solange, bis ein geeignetes gesamtdeutsches Endlager gefunden ist, geparkt.

Der Blick von Franz Untersteller und weiteren Verantwortungsträgern aus dem Umweltministerium des Landes ging beim Vor-Ort-Besuch im KWO demnach erst mal ins Leere: Das große Edelstahlbecken im Notstandsgebäude des Kernkraftwerks, wo die Brennelemente - von Wasser abgeschirmt - bis 2017 lagerten, ist ausgeräumt, komplett leer. Allein das Hilfsgestell, mit dem die BEs in die Castorbehälter gepackt wurden, findet sich noch im Lagerbecken ohne Lagergut. Und zwei Gerüste, von denen aus das Werkzeug gereinigt und dann ebenfalls demontiert wird. Auch die Wände des 18 Meter tiefen Becken werden nach und nach abgebaut werden, ein paar dicke Betonwände weiter hat man bereits das Herz des Kraftwerks, den Reaktordruckbehälter, herausgeschnitten und in Einzelteile zerlegt. "Aktuell laufen die Arbeiten am sogenannten biologischen Schild", schildert Dr. Jörg Michels von der EnBW. Weitere tragende Großkomponenten der Anlage, wie Dampferzeuger oder Hauptkühlmittelpumpen, sind aus dem Containment längst verschwunden.

Und verschwinden sollen "zeitnah", so Franz Untersteller, in Obrigheim auch die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, die aktuell noch in einer Betonhalle auf dem Kraftwerksgelände gesammelt werden. "Die wird im Rahmen der Genehmigung betrieben", erläutert Dr. Michels den Status quo dieser vorübergehenden Zwischenlagerung. Der Umweltminister selbst will sich dafür starkmachen, dass diese Reststoffe wegkommen. Das ist ganz im Sinne von Obrigheims Bürgermeister Achim Walter, der vor diesem Hintergrund auf eine mögliche Nachnutzung der Gebäude verweist.

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"Wir reden hier über vorhandene Zwischenlager", ergänzt Franz Untersteller, der aber nicht zu entscheiden habe, wohin dieser Teil des KWO-Erbguts (rund 3000 Tonnen fallen an) dann konkret wandern soll. Ab 2020 sei vielmehr die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) dafür verantwortlich. An den beiden weiteren EnBW-Standorten Neckarwestheim oder Philippsburg wird man sicher hellhörig werden ob des weiteren Atommülls, für den die Zwischenlager vor Ort offenbar in Frage kommen.

Eine ähnlich große Menge an Abbaumaterial wird im Kreis bleiben, auf der Deponie in Buchen-Sansenhecken eingelagert werden. Bei diesen rund 2800 Tonnen handelt es sich allerdings um "freigemessene" Reststoffe (Reststrahlung unter 10 Mikrosievert), zum überwiegenden Teil Betonschutt. Der Neckar-Odenwald-Kreis mit Landrat Dr. Achim Brötel an der Spitze hatte sich zunächst geweigert, den Abfall anzunehmen. Das Umweltministerium hingegen unmissverständlich auf die bestehenden Vorgaben des Abfallrechts hingewiesen - und die Erfüllung der Verpflichtungen eingefordert.

"Ich habe den Eindruck, dass Herr Brötel inzwischen die gleiche Sichtweise wie ich hat", bekräftigte Franz Untersteller, in Obrigheim, auf den "problematisierten" Bauschutt angesprochen. Die Dinge scheinen also geklärt, was auch Achim Brötels Ausführungen bestätigen. Entscheidend sei, dass sich das Umweltministerium mit den (teilweise auch von Ärzten bekräftigten) Bedenken aus dem Kreis auseinandergesetzt habe. Im Zuge dieser Auseinandersetzung hat man eine Handlungsanleitung ersonnen, die den (sicheren) Umgang mit dem in Buchen zu deponierenden Bauschutt klar regeln und kontrollieren soll. Wenn nun also unter "strikter Beachtung" dieser Anleitung gehandelt wird, dann will der Kreis auch seiner Entsorgungspflicht nachkommen. Wann er das erstmals tun wird, ist noch unklar: Die EnBW hat noch keine Lieferung aus dem KWO auf der Deponie in Buchen angemeldet.

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