"Die Bestimmung des Bösen"

Mit Maden zum Mörder

Kerstin Pflieger hat unter dem Pseudonym Julia Corbin einen Rhein-Neckar-Thriller geschrieben. Dafür ist sie tief in die Kriminalbiologie eingetaucht.

20.08.2017 UPDATE: 28.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Am Tatort: Thrillerautorin Kerstin Pflieger auf der Reißinsel, auf der gleich zwei Leichen gefunden werden. Fotos (2): Lask

Von Maren Wagner

Mannheim/Heidelberg. Frauen können keine Thriller schreiben. Und wenn sie es doch versuchen, steckt viel Romantik drin. Kerstin Pflieger verzieht das Gesicht. "Die Vorurteile sind massiv." Ja, sie kommt aus dem Fantasybereich, und ja, sie schreibt auch Liebesfantasy. Mit "Die Bestimmung des Bösen" hat sie unter ihrem Pseudonym Julia Corbin aber einen Rhein-Neckar-Thriller auf den Markt gebracht, bei dem ihr während des Schreibens einige Male die Tränen kamen. Und das nicht vor Rührung.

Maren Wagner (links) hat Kerstin Pflieger an den Tatorten ihres Romans interviewt. Die interaktive Führung durch das Buch gibt es unter www.rnz.de/Corbin.

Die 37-jährige Pflieger ist ein Kind der Region. Sie lebt bei Heilbronn, hat in Heidelberg studiert und kennt Mannheim. Da darf sie es sich erlauben, ein bisschen Lokalpatriotismus in ihre Geschichte einfließen zu lassen. "Heidelberg ist für mich Idylle, ich liebe es, die Stadt ist fantastisch", sagt Pflieger und nippt in einem Café in der Heilbronner Innenstadt an ihrer heißen Schokolade. "Fuhr man durch Mannheim", schreibt sie in ihrem Buch, "konnte man schnell den Eindruck gewinnen, sich in einer der hässlichsten Städte Deutschlands zu befinden."

Es wundert nicht, dass sie ihre sechs Mordopfer über Mannheim verteilt: zwei Leichen auf der Reißinsel, zwei im Käfertaler Wald, die letzten beiden in einem Industriegebiet zwischen Maimarktgelände und Dualer Hochschule. Heidelberg dagegen sollte seine Reinheit bewahren. Von hier kommt Kommissarin Alexis Hall, hier arbeitet und lehrt Kriminalbiologin Karen Hellstern. Für die Orte musste sie kämpfen. Hamburg, Berlin, München, das ziehe mehr, hieß es. "Dazu habe ich aber keine emotionale Bindung", sagt Pflieger.


Zur Vollbild-Ansicht der Karte in einem neuen Fenster klicken Sie hier.



Zwei Jahre hat sie an ihrem Thriller gearbeitet und dringt tief ein in die Welt der Insekten, lässt Hellstern mit Maden und Käfern die Morde rekonstruieren, jagt sie auf der Suche nach Fliegen durchs Unterholz, sieht ihr zu, wie sie Schweinekadaver im Wald auslegt. Das ist ein Handlungsstrang.

Der zweite befasst sich mit der Frage, ob das Böse in der menschlichen Genetik vorherbestimmt ist, Pflieger schreibt es "kill:gen". "Ich bin ein Nerd, ein Wissenschaftstyp", sagt sie und läuft bei Regen mit schnellen Schritten auf der Reißinsel. Tatortbegehung mit der Autorin.

Pflieger hat Biologie studiert und sich damit beschäftigt, wie man Erbschäden und Fehlentwicklungen bei Kindern entgegenwirken kann. Für die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) in Speyer kroch sie wie Karen Hellstern über den Boden, um Larvenstadien zu überprüfen.

Hellstern sollte ursprünglich Gerichtsmedizinerin sein. "Aber da fehlten mir einfach das Fachwissen und das Gefühl dafür", sagt Pflieger. Sie sei gewissermaßen über die Kriminalbiologie gestolpert, hat sich eingelesen, Artikel um Artikel gesammelt. Vieles, was geschrieben wird, kommt aus Nordamerika. Das ist schwierig, weil es dort andere Insekten gibt als im Rhein-Neckar-Kreis.

Pflieger muss raus, die Orte prüfen, an denen sie Leichen ablegen will. "Ich habe noch keine negativen Kommentare von Experten bekommen", sagt sie am Karlsternweiher im Käfertaler Wald. Tatort Nummer zwei. Die Wolken sind aufgebrochen, die Sonne glitzert auf dem Wasser. Sie hat einen Straßenatlas angelegt, in dem sie mögliche Tatorte sammelt. Pflieger nennt ihn "Leichenbuch". Alexis Hall und Karen Hellstern werden weiter ermitteln. Der zweite Roman ist schon fertig, 2018 soll er gedruckt sein, Arbeitstitel: "Das Spinnenmädchen". Der wird sich aber sicher noch ändern, so Pflieger, Thriller bräuchten Blut oder Tod auf dem Cover, oder das Böse.

Eine kurze Liebelei ist in Pfliegers Erstling schließlich doch drin, die Beziehung zwischen Alexis und einem Journalisten. Romantik bleibt am Ende aber nicht übrig. Eher ein Schauern. Frauen können eben sehr wohl Thriller.

Info: Julia Corbin: "Die Bestimmung des Bösen". Taschenbuch. Diana Verlag 2017. 416 Seiten, 9,99 Euro.