Polizeipräsidium Mannheim: Kriminalität so hoch wie noch nie
Polizeipräsidium Mannheim verzeichnete 2016 einen starken Anstieg in mehreren Deliktfeldern - Mehr Straftaten durch Flüchtlinge

Autoknacker haben 2016 besonders im Rhein-Neckar-Kreis zugeschlagen und zahlreiche Navis geraubt. Foto: Polizei
Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. Polizeipräsident Thomas Köber sprach gestern von einem "sehr arbeitsreichen Jahr 2016". Es war aber auch kein erfreuliches, wie der Blick auf die Kriminalitätsstatistik im Bereich des auch für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis zuständigen Mannheimer Präsidiums zeigte. Ob Mord und Totschlag, Körperverletzung, Rauschgifthandel, Navidiebstahl oder Sexualstraftaten: All diese schweren Delikte haben im vergangenen Jahr erheblich zugenommen. Damit ist die Kriminalität in der Region so hoch wie nie und liegt über dem Landesdurchschnitt. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber auch Lichtblicke.
Hintergrund
Straftaten gesamt:
Land: 609.133
(-1,2 Prozent gegenüber 2015)
Heidelberg: 16.128 (+4,7)
Rhein-Neckar-Kreis: 25.200 (+4,9)
Mannheim: 35.421
Straftaten gesamt:
Land: 609.133
(-1,2 Prozent gegenüber 2015)
Heidelberg: 16.128 (+4,7)
Rhein-Neckar-Kreis: 25.200 (+4,9)
Mannheim: 35.421 (+2,5)
Aufklärungsquoten:
Land: 60,2% (-0,1)
Heidelberg: 57,7 (+2,0)
Rhein-Neckar-Kreis: 53,8 (-0,6)
Mannheim: 55,1 (-1,6)
Häufigkeitsziffer (Zahl der Fälle insgesamt oder innerhalb einzelner Deliktarten, errechnet auf 100.000 Einwohner):
Land: 5599 (5761)
Heidelberg: 10.321 (9821)
Rhein-Neckar-Kreis: 4651 (4498)
Mannheim: 11.584 (11.654)
Straßenkriminalität:
Heidelberg: +6,9% (+10,8)
Rhein-Neckar-Kreis: +13,5 (-5,0)
Mannheim: +9,0 (+12,7)
Diebstahl an/aus Autos:
Heidelberg: +10,5% (-1,7)
Rhein-Neckar-Kreis: +53,7 (+1,9)
Mannheim: +33,6 (+16,2)
Gewaltkriminalität:
Heidelberg: +8,5% (+58,6)
Rhein-Neckar-Kreis: +17,8 (+10,2)
Mannheim: +17,2 (+4,3)
Straftaten gegen das Leben:
Mord: 8 (Vorjahr: 6),
davon 7 Versuche (5).
Totschlag: 26 (Vorjahr: 14),
davon 19 Versuche (12)
Wohnungseinbrüche:
Heidelberg: -15,9% (-46,5)
Rhein-Neckar-Kreis: +25,9 (-0,4)
Mannheim: -21,7 (-1,2)
Aufklärungsquote (gesamt): 25,6 (21,8)
Gewalt gegen Polizisten:
Insgesamt 272 leicht verletzte Beamte (Vorjahr: 188).
Tatverdächtige (ohne ausländerrechtliche Verstöße):
Gesamt: 29.634 (+0,9 Prozent)
Nichtdeutsche: 12.749 (+7,2), davon 4312 Asylbewerber
Die Straftaten auf offener Straße haben zwar insgesamt um zehn Prozent zugenommen, doch verzeichneten die Beamten weniger Raubüberfälle und Taschendiebstähle. Ebenso erfreulich: Die Aufklärungsquote (13,4 Prozent) und die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen sind gestiegen.
Die Diebstähle aus Autos bereiten der Polizei mehr denn je Kopfzerbrechen. Mehr als 3,8 Millionen Euro Schaden sind im vergangenen Jahr dadurch entstanden, 2015 waren es 1,7 Millionen. Geraubt wurden unter anderem 396 fest installierte Navigationssysteme (fast die Hälfte im ganzen Land; Vorjahr: 98) und 147 Airbags (36). "Der Rhein-Neckar-Kreis ist unser größtes Sorgenkind", sagte Kripochef Siegfried Kollmar. Hier gab es sage und schreibe knapp 54 Prozent mehr Einbrüche. Der wesentliche Teil der Diebstähle geht auf das Konto hochprofessionell und blitzschnell agierender Banden aus Osteuropa, vornehmlich Litauen. Die Autoknacker verkaufen die Beute bis nach China. Kollmar ist zuversichtlich, dass die im Frühjahr 2016 eingesetzte "Ermittlungsgruppe Zeppelin" die Aufklärungsquote (derzeit 6,2 Prozent) spürbar erhöhen kann. Immerhin sind die ersten Navidiebe bereits hinter Schloss und Riegel gewandert.
Die Gewaltkriminalität ist auf ein Zehnjahreshoch geklettert. Positiv ist, dass drei Viertel aller Delikte aufgeklärt werden konnten. Was der Polizei zu denken gibt: Die Anzahl der tatverdächtigen Asylbewerber hat sich fast verdoppelt. Ihr Anteil ist besonders hoch in den Bereichen Raub und räuberische Erpressung.
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Die Sexualdelikte haben erneut zugenommen, die Beamten zählten im vergangenen Jahr 549 Fälle. Bei einem Dritte sei Gewalt im Spiel gewesen, sagte Kollmar. Gut zwei Drittel der Täter habe man ermitteln können. Der Schwerpunkt liege auf sexuellem Missbrauch und exhibitionistischen Handlungen. "Ohne etwas verharmlosen zu wollen" lenkte Köber den Blick auf die "überfallartigen" Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen. Hier seien die vier registrierten Fälle vergleichsweise wenig, Frauen könnten sich also sicher fühlen. Wobei der Polizeipräsident auch an den Fall eines Nordafrikaners erinnerte, der eine 26-Jährige in Mannheim überfallen und vergewaltigt hatte. Ein Jogger rettete ihr das Leben. Kollmar ärgerte sich hingegen über eine Frau, die vorgegeben hatte, am Mannheimer Wasserturm vergewaltigt worden zu sein - eine dreiste Lüge, wie sich später herausstellte. "Es kam in der ersten Aufregung zu einer Vielzahl von Anzeigen", sagte er.
Die Straftaten gegen das Leben nahmen um knapp die Hälfte zu. Der Mord an einer Zehnjährigen in Mannheim-Neckarau - Täterin war die eigene Mutter - und die sieben Mordversuche konnten aufgeklärt werden. Ähnlich hoch war die Ermittlungsquote beim Totschlag (26 Fälle, davon 19 Versuche). Zu drei Mordversuchen kam es in Asylunterkünften. Und noch eine bemerkenswerte Zahl: Von den insgesamt 31 männlichen Opfern waren 14 Flüchtlinge.
Die Wohnungseinbrüche sind in Heidelberg und Mannheim ebenso stark zurückgegangen, wie sie im Rhein-Neckar-Kreis angestiegen sind. "Was den Kreis angeht, können wir nicht zufrieden sein", räumte Kollmar ein. Die zuständige Ermittlungsgruppe werde auf 20 Beamte aufgestockt. Ganz offensichtlich nehmen die Räuber wie die Navidiebe die angrenzenden Autobahnen als Fluchtweg. Die gesteigerte Aufklärungsquote (knapp 26 Prozent) sei positiv, so Kollmar. Auch hätten in 40 Prozent der Fälle die Täter ihren Beutezug wegen Präventionsmaßnahmen der Hausbesitzer erfolglos abbrechen müssen.
Die Rauschgiftdelikte haben den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht, die Aufklärungsquote kann sich mit mehr als 90 Prozent sehen lassen. Einen starken Anstieg (plus 28 Prozent) gab es in Mannheim, wo sich unter anderem am Neckarufer eine Dealerszene mit Händlern aus Gambia etablierte. Nachdenklich stimmen Köber und Kollmar, dass Cannabis gesellschaftlich zunehmend verharmlost werde.
Die Tatverdächtigen: Die Flüchtlinge seien in der Statistik angekommen, sagte Köber. Von den 29.634 Tatverdächtigen sind 12.749 nicht deutscher Abstammung und davon 4312 Asylbewerber (plus 43 Prozent). Wobei sich Köber fragt, ob die Einteilung in Deutsche und Nichtdeutsche etwa in einer Vielvölkerstadt wie Mannheim künftig überhaupt Sinn macht. Was die Straftaten der Asylbewerber angeht, stechen die 888 Körperverletzungen ins Auge. Etwas relativiert wird diese Zahl dadurch, dass sich mehr als 500 Fälle in (beengten) Flüchtlingsunterkünften zutrugen.



