Bald beleben die Wohnprojekte das Heidelberger Mark Twain Village
"Hagebutze" hat seine anderthalb Häuser von der Stadt gekauft - "Konvisionär" zieht bald nach - Erster Einzug noch in diesem Jahr?

Nach Unterzeichnung des Vertrags mit der Stadt feierte die Gruppe "Hagebutze" den Kauf ihrer Immobilie. Fotos: privat, Welker
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Florian Lepold und Christian Mundt sind in Feierlaune. Frisch vom Notar kommen die beiden Mitstreiter des gemeinschaftlichen Wohnprojekts "Hagebutze" in die Stadtredaktion. Knapp fünf Jahre lang haben die rund 45 Gruppenmitglieder geplant, diskutiert, Direktkredite eingeworben - und mit der Stadt verhandelt. "Jetzt haben wir den Kaufvertrag unterschrieben, das ist ein fantastisches Gefühl", sagt Lepold.
Hagebutze gehören nun eineinhalb Häuser im Norden von Mark Twain Village (MTV). Finanziert hat die Gruppe sie mit einem Syndikatsmodell - das Geld kommt aus Direktkrediten von Privatleuten sowie einem Bankkredit. Wer in das Haus einziehen will, benötigt als Mieter kein eigenes Kapital - kann sich aber jederzeit als Direktkreditgeber einbringen.
Nun will die Gruppe so schnell wie möglich mit der Sanierung beginnen. "Wenn wir nicht alles auf einen Schlag machen, sondern nach und nach, könnten die Ersten vielleicht schon in drei Monaten im ersten und zweiten Stock einziehen", sagt Mundt. Das Erdgeschoss dauert länger, da dort alles barrierefrei werden soll, im Dachgeschoss - wo es keine Wohnungen gab, als die Amerikaner hier wohnten - ist ebenfalls aufwendiger. Hagebutze will aber nur das Nötigste tun, um die Mieten günstig zu halten - ein Zwölf-Quadratmeter-WG-Zimmer soll gerade einmal 130 Euro Kaltmiete kosten. "Insgesamt werden wir 23 Wohnungen haben - für Singles, Familien oder WGs", so Lepold. "Und WG-Zimmer sind auch noch viele frei."
Zudem plant die Gruppe einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, der ein Treffpunkt für den ganzen Stadtteil werden soll. "Das wird eine Art Café mit Terrasse, wo auch kleinere Veranstaltungen stattfinden können", erklärt Lepold.
Noch nicht ganz so weit wie Hagebutze ist Konvisionär, ebenfalls ein Gemeinschaftswohnprojekt. Die Gruppe wird die anderthalb Häuser neben Hagebutze beziehen. "Es geht noch um ein paar Kleinigkeiten, aber ich denke, auch wir können bald den Kaufvertrag unterzeichnen", sagt Benjamin Bremen. Der 37-Jährige wird samt Ehefrau und drei Kindern gemeinsam mit einer anderen Familie in eine große Wohnung im Dachgeschoss ziehen.
Das Finanzierungsmodell der Gruppe, die aktuell 30 Erwachsene und 17 Kinder umfasst, ist ähnlich wie bei Hagebutze, doch liegt der Fokus bei Konvisionär nicht alleine auf günstigem Wohnraum. "Wir sind ein Verein für ökologisches Leben in Gemeinschaft", so Bremen. Daher werden auch der Dachstuhl und die Kellerdecke hochwertig gedämmt. "Und wenn wir dürfen, kommt Fotovoltaik aufs Dach." Dennoch liegen die Mietpreise bei immer noch recht günstigen acht Euro kalt pro Quadratmeter.
Konvisionär bietet im Haus auch eine offene Fahrradwerkstatt, einen Umsonstladen und eine Lebensmittelkooperative an. "Wir kaufen größere Mengen Lebensmittel von ökologischen Anbietern und geben sie zum Einkaufspreis an alle, die mitmachen wollen, weiter", sagt Bremen. Das spare nicht nur Verpackungsmaterial, sondern ermögliche auch finanzschwächeren Haushalten, ökologisch gute Lebensmittel zu kaufen.
Beiden Wohnprojekten ist außerdem gemein, dass die Mieter sehr vielfältig sind. "Unser Jüngster wurde gerade geboren, unsere Älteste wird 74 Jahre alt", sagt Bremen.



