Festival des deutschen Films: Trotz Regens gut besucht
Widriges Wetter während der ersten Hälfte des Ludwigshafener Filmfestivals - Aber die Zuschauerzahlen leiden keineswegs darunter
Von Stefan Otto
Immer wieder Regen. In den ersten acht Tagen des Festivals des deutschen Films herrschte unbeständiges Wetter. Der festivaleigene Biergarten, der sich in Ludwigshafen von den Kinozelten an der schmalen Hannelore-Kohl-Promenade bis hinunter ans Rheinufer erstreckt, blieb die meiste Zeit leer. In den Zelten und auf der langen Veranda, die wenigstens den Blick auf den Biergarten gestattet, stauten sich abends die Besucher. Diejenigen, die mit besserem Wetter gerechnet hatten, froren, andere, die angemessen gekleidet waren, trockneten ihre Regenjacken über den Stuhllehnen und ihre Schirme auf dem Boden. Es ist etwa dieses Bild, das den anwesenden norddeutschen Regisseur eines Wettbewerbsfilms dazu verleitete, dem Festival eine gewisse "Flüchtlingslageratmosphäre" zuzusprechen. Die Liegestühle am Rheinufer, mit denen die Großveranstaltung so gerne für sich wirbt, kamen erstmalig vor zwei Tagen zum Einsatz.
Auf die Zuschauerzahlen in den Zeltkinos hatte das Wetter sichtlich keinen schlechten Einfluss. Im Gegenteil, es trieb die Besucher ja geradezu in die Vorstellungen. Die Kinos, die in diesem Jahr immerhin zweimal 1200 Plätze fassen, sind bestens besucht. Fast scheint es so, als komme es gar nicht darauf an, welcher Film läuft - zuverlässig bilden sich lange Warteschlangen vor den Zelten, und ist man dann drinnen, fällt es nicht leicht, einen freien Platz zu finden. Es sei denn, man hat vorsorglich eine Platzkarte erworben, die es in diesem Jahr in größerer Anzahl für einen Euro Aufgeld gibt.
Besonders an den Wochenenden und den Abenden sind viele Vorstellungen fast oder ganz ausverkauft. In einigen Fällen sei jedoch auch an der Abendkasse noch ein Restkartenkontingent vorhanden, versichert die Pressesprecherin Marlies Hagelauer. Mit den genauen Besucherzahlen der ersten Festivalhälfte hält sie sich auf Anweisung der Festivalleitung bedeckt.
Kritikerliebling bis heute ist eindeutig das poetische Musiker-Drama "Zerrumpelt Herz" von Timm Kröger und Roderick Warich. Der Film, der überwiegend in einem so natürlichen wie märchenhaften Wald spielt (gedreht wurde im Schwarzwald), erzählt von einem avantgardistischen Komponisten im Jahr 1929. Dieser Otto Schiffmann fühlt sich den in den Bäumen singenden Vögeln verwandt, er lauscht dem Murmeln der Bäche hohe Akkorde ab und dem ganzen Wald Melodien, die seit jeher existieren. Wenn es um seine Kompositionen geht, erklingen Auszüge aus Hans Pfitzners 1917 uraufgeführter Oper "Palestrina", die selbst die Geschichte eines genialisch schaffenden Tondichters erzählt.
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Darüber hinaus ist Richard Wagner ("Tristan und Isolde") zu hören sowie Gustav Mahlers unvollendete 10. Sinfonie in der Bearbeitung des britischen Elektronik-Produzenten Matthew Herbert ("Mahler Symphony X"). Die Autoren des Films haben sichtlich auch Mahlers Biogra-fie in ihr ungewöhnliches, aber sehr stimmiges Drehbuch einfließen lassen. Schiffmann wie Mahler sind leidende Künstler, die sich in ein abseits gelegenes Komponierhäuschen zurückziehen. Im Epilog an der Nordsee klingt Thomas Manns Novelle "Tod in Venedig" an, die ihrerseits auf Gustav Mahler Bezug nimmt. Das Ergebnis ist ein faszinierender Film, der ein bisschen wie aus der Zeit gefallen scheint.
Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat für den mit 50.000 Euro dotierten Hauptpreis des Festivals ist "Verfehlung". Bereits heute Abend erhält Gerd Schneider, der Autor und Regisseur des Dramas um Missbrauch in der katholischen Kirche, den Ludwigshafener Drehbuchpreis. Wie Timm Kröger und Roderick Warich ist auch er ein Absolvent der Ludwigsburger Filmakademie Baden-Württemberg. Bevor er dort landete, war er selbst Priesteramtskandidat und erzählt nun in seinem Film ebenso spannend wie differenziert vom Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen wie jenen, die 2010 bekannt wurden.