Weinheim

Landratsamt gibt Entwarnung bei Trinkwasserversorgung

In Weinheim wurden auf zwei Arealen gefährliche Stoffe nachgewiesen. Eines davon ist ein Baugebiet.

07.05.2024 UPDATE: 07.05.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Auf dem Gelände der ehemaligen Kreispflege sollen rund 400 Wohnungen entstehen. Jetzt wurden in diesem Bereich gefährliche Stoffe nachgewiesen. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Bedenkliche Nachricht für Weinheim: Dem Landratsamt liegen Erkenntnisse vor, dass es in der Großen Kreisstadt mindestens zwei Gebiete gibt, die mit gefährlichen Stoffen belastet sind. In einem Baugebiet auf den Flächen der früheren Kreispflege sind ebenso PFAS entdeckt worden wie im Bereich der Weschnitz-Dämme. PFAS steht für die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien, die auch als PFC – früher auch als PFT – bezeichnet werden. Diese werden in einer Reihe von Verbrauchsgütern verwendet. Die Chemikalien sind sehr langlebig und können sich in der Umwelt anreichern. Laut Experten des Umweltbundesamts schädigt eine hohe PFAS-Konzentration im Blut möglicherweise die inneren Organe, ruft bestimmte Krebsarten hervor und begünstigt etwa Übergewicht und Bluthochdruck. Menschen können PFAS durch Lebensmittel oder das Grundwasser aufnehmen. Doch hierzu gibt das Landratsamt Entwarnung. Es lägen keine Hinweise zu einer Belastung des Trinkwassers vor.

> Die betroffenen Flächen im Bau- und Sanierungsgebiet: In einem der belasteten Areale standen jahrzehntelang die Gebäude der früheren "Kreispflege" (später: GRN-Betreuungszentrum). Das Gelände an der Viernheimer Straße unweit der Freudenberg-Werke ist inzwischen Teil eines Sanierungsgebiets. Hier sollen bis zu 400 Wohnungen entstehen. Ein Teil davon soll preisgedämpft oder sogar als Sozialwohnungen angeboten werden. Das Vorhaben gilt als Hoffnungsschimmer in einer Stadt, in der weniger vermögende Mietinteressenten oft den Kürzeren ziehen. Der Rhein-Neckar-Kreis hatte sein altes "Pflegeviertel" aufgegeben, um im direkten Anschluss an die GRN-Klinik am westlichen Stadteingang ein modernes Betreuungszentrum zu bauen. So brachten im Juni 2020 haupt- und ehrenamtliche Helfer die letzten Bewohner vom Alt- in den Neubau.

Teile der früheren Pflegegebäude waren damit der Abrissbirne geweiht, andere integrierte man ins neue Konzept. Stand heute sind zwei der drei Baufenster bereits vom Kreis an Investoren veräußert worden und zum Teil auch bebaut, erklärt Landrat Stefan Dallinger. Seine Pressesprecherin Silke Hartmann erläutert auf RNZ-Anfrage, dass die belasteten Erdschichten abgetragen und auf Deponien gebracht werden. An ihre Stelle wird eine rund 60 Zentimeter dicke Deckschicht unbelasteter Erde aufgetragen, sogenannter Mutterboden. Wie viel belasteter Boden bereits weggefahren wurde und wie viel noch da ist, könne man ad hoc nicht sagen. Das Bauprojekt stehe aber nicht infrage. PFAS kommen auch in Feuerlöschmitteln vor. Laut Landratsamt könnte eine Erklärung für einen Teil der Verunreinigungen auf dem alten GRN-Gelände darin bestehen, dass sich dort 2012 eine Brandkatastrophe ereignet hatte. Dabei kam eine 41 Jahre alte Frau ums Leben. Das Gelände umfasst eine Fläche von 45.500 Quadratmetern. PFAS wurde auf allen Flächen nachgewiesen, wobei die Intensität mit zunehmender Tiefe abnehme.

> Das betroffene Gebiet an der Weschnitz: Die Chemikalien sind auch bei Baugrunderkundungen aufgetaucht, die derzeit im Zuge von Überlegungen zu einem Hochwasserschutz- und Ökologieprojekt (HÖP) angestellt werden. Das Gebiet liegt im Bereich der Weschnitz-Dämme, also ebenso wie das alte GRN-Areal im Westen der Stadt. Für das HÖP-Projekt ist das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Die Experten hätten den Baugrund auf einer Länge von 650 Metern untersucht. Die Weschnitz selbst sei nicht betroffen, erklärt Roland Kern, Pressesprecher der Stadt Weinheim auf RNZ-Anfrage.

> Warum das Trinkwasser wohl nicht gefährdet ist: Die Große Kreisstadt bezieht ein Gutteil ihres Trinkwassers über den Wassergewinnungsverband Badische Bergstraße in Hemsbach. In der Nachbarstadt steht das Wasserwerk, das das kühle Nass aus den Tiefen des mittleren Grundwasserleiters fördert. Das Trinkwasserreservat hat mit dem belasteten Boden also eher nichts zu tun. Das ist eine gute Nachricht, denn die Aufnahme von relevanten Mengen der sehr beständigen, aber reaktionsarmen Stoffe erfolge hauptsächlich über belastetes Trinkwasser, so der Leiter des Gesundheitsamts im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Andreas Welker. Er beruft sich auf Untersuchungen des Landesgesundheitsamts im Landkreis Rastatt, wo man PFAS im Boden von landwirtschaftlichen Grundstücken fand.

> Wo PFAS vorkommen: Die Stoffe sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch sehr stabil. Die Industrie verwendet sie zur Herstellung vieler Gebrauchsgegenstände – von der Outdoorjacke bis zum Einwegbecher. Auch in Kosmetika, Kochgeschirr oder Ski-Wachs, der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen sowie in Pflanzenschutz- oder Löschmitteln kommen sie vor. In der Politik werden deshalb wieder und wieder Forderung nach einer Beschränkung oder einem Verbot von PFAS laut.

> Wie es nun weitergeht: "Wir arbeiten eng mit den Fachbehörden, der Stadt Weinheim und dem Regierungspräsidium Karlsruhe zusammen. Allen ist an rascher Ursachenforschung gelegen", erklärt Landrat Dallinger. Das Landratsamt lasse Bodenuntersuchungen in Weinheim vornehmen, um Erkenntnisse über denkbare Belastungen weiterer Flächen zu gewinnen. Ein mit dem Thema vertrautes Ingenieurbüro bewerte die Proben. Erst dann ließen sich verlässliche Aussagen zu Umfang und Grad der Belastungen treffen. OB Manuel Just verspricht wie Landrat Dallinger, dass die Behörden ihrer Verantwortung nachkommen und die Bürger informieren: "Am Ende ist es das Wichtigste, eine Gefährdung auszuschließen. Das wird die Maxime unseres Handels sein."

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